28. März 2023
Die Stadt Rinteln, zwischen Bielefeld und Hannover, hat mit dem Neubau der Integrierten Gesamtschule (IGS) mehrere Schulstandorte an einem Ort zusammengeführt. Das klar strukturierte, von bez+kock architekten errichtete Schulgebäude ist ein nachhaltiger und leichter Holzbau, in dem die wertige Raumatmosphäre maßgeblich durch authentische, natürliche Holzoberflächen bestimmt wird.
von Thomas Geuder, der Raumjournalist
Seit vielen Jahren hegte die Stadt Rinteln den Wunsch, für die Klassen nach der Grundschule eine Gesamtschule an einem Ort zu installieren. Wahr werden konnte er, als sich der Landkreis Schaumburg dazu entschloss, für die zum Schuljahr 2014/15 gegründete Integrierte Gesamtschule (IGS) neben dem bestehenden Gymnasium Ernestinum südlich des historischen Stadtkerns einen Schulneubau zu errichten. Den im Frühjahr 2017 dafür ausgeschriebenen Architekturwettbewerb konnte das Stuttgarter Büro bez+kock architekten für sich entscheiden. Ihre Entwurfsidee orientiert sich strukturell vor allem an den pädagogischen Anforderungen an die Räume, die auch für zukünftige Entwicklungen Flexibilität ermöglichen sollen. Alle Klassen eines Schuljahrgangs werden dabei zusammengefasst, sodass jeder Bereich für sich als „Lernhaus“ wie eine eigenständige, kleine Schule im Gesamtsystem funktioniert. Ohne großen Aufwand könnte dieses Konzept künftig verändert werden, hin zu einem eher themenbezogenen Ansatz.
Die Atmosphäre in den Innenräumen entsteht ausschließlich aus warmen Materialien, was auf Schüler wie Lehrer beruhigend wirken soll.
Räumliche Verknüpfung
Der 112 m lange Neubau formuliert eine transparente Eingangszone über die gesamte Länge, die als gedeckter Pausenbereich und Kommunikationsfläche funktioniert. Dieses einladend formulierte Entree ist als Kolonnade ein niederschwelliger Zugang ins helle, freundliche Schulhaus. Strukturell basiert der Baukörper auf einem einfachen Grundprinzip: Die Multiplikation einer U-Form und die gleichzeitige Verknüpfung der Bereiche führt zur Bildung verschiedener Cluster in einem räumlichen Netzwerk. Im Erdgeschoss besteht der zentrale Block aus zwei U-Formen mit einigen Fachklassen sowie dem Konferenzbereich. Um dieses Doppel-U liegt ein langgestrecktes U mit weiteren Fachklassen sowie der Verwaltung, das gleichzeitig eine Art baulicher Rücken bildet. Die Verbindung über alle Bereiche wird über die sogenannte Schulstraße hergestellt, die parallel zur Außenkolonnade über die gesamte Gebäudelänge verläuft. Über vier nach oben offene Innenhöfe zwischen den einzelnen Spangen gelangt viel natürliches Licht ins Erdgeschoss. Das Obergeschoss besteht aus sechs U-Formen, die in Zweiergruppen organisiert und versetzt zum Erdgeschoss sind. In jedem U gibt es fünf Klassenzimmer, einen Gruppenraum, ein Lehrerzimmer sowie eine Mitte als Treffpunkt. Die Möblierung hier wurde von ebenfalls bez+kock entwickelt.
Über die gesamte Länge des 112 m langen Neubaus erstreckt sich eine großzügige, transparente Eingangszone, die als gedeckter Pausenbereich und Kommunikationsfläche dient.
Jedes Lernhaus hat seine eigene Mitte zum informellen Treffen in den Pausen. Die Sitzmöbel aus Holz hier wurden ebenfalls von Bez+Kock Architekten entworfen.
Gestaltprägendes Material Holz
Der Schulbau ist als demontierbarer Massivholzbau in Holzrahmenbauweise mit hohem Vorfertigungsgrad errichtet, wodurch eine kurze Bauzeit nur gut zwei Jahren möglich war. Innen bleiben nahezu alle wesentlichen Bauteile aus Holz sichtbar, wodurch das Lärchenholz wesentlicher Bestandteil des Gestaltkonzepts im Sinne der Materialhaptik und Raumatmosphäre ist. Zwischen den sichtbaren Trägern der Holz-Beton-Verbunddecken (HBV) sind Sauerkrautplatten in warmen Farbtönen mit integrierter Beleuchtung angeordnet, die die Akustik optimieren. Auch die Wände sind mit Holz verschalt, lediglich am Boden wechselt das Material zu einem dunkelgrünen Kautschuk-Noppenboden oder polierten Betonwerksteinplatten. Diese authentische, wertige Material- und Farbgebung soll nicht zuletzt eine positive psychologische Wirkung auf Schüler wie Lehrer haben.
Vorgefertigt wurden die Innen- und die Außenwände, die Sockel, die Holzträger, die Brettsperrholzdachscheibe sowie die Stahlbetonfertigteile der Decken.
Der Neubau der Integrierten Gesamtschule (IGS) ist in Holzrahmenbauweise errichtet und komplett demontierbar ist, lediglich die Bodenplatte, das Fundament und die HBV-Decken bestehen aus Beton.
Energetisch sinnvoll Haustechnik
Das Bauwerk mit einer Geschossfläche von 9.315 m² auf zwei Stockwerken und einem Rauminhalt von rund 35.000 m³ ist aus 2.815 m³ Holz und nur 2.650 m³ Beton gebaut, der vornehmlich für Gründung, Bodenplatte und HVB-Decken eingesetzt wurde. Alle tragenden und raumabschließenden Teile sind in F30 (feuerhemmend) ausgeführt, die brandabschnittsbildenden Wände in F60 (hochfeuerhemmend). Die Wärmeversorgung erfolgt über ein Nahwärmenetz mit einem landwirtschaftlichen Betrieb, wo eine KWK-Anlage mit Biogas betrieben wird, für die der Primärenergiefaktor fp = 0,00 zertifiziert ist. Eine PV-Anlage auf dem Dach produziert rund 176.000 kWh, wodurch der Jahresstromverbrauch fast vollständig gedeckt wird. Somit ist für das nach KfW-55-Standard geplante und errichtete Schulgebäude ein günstiger und energetisch sinnvoller Betrieb gesichert.
Alle Bilder: © Marcus Ebener
Projektdaten:
Projekt: Neubau der IGS Integrierten Gesamtschule, Rinteln
Architektur: bez+kockarchitekten, Stuttgart
Bauherr: Landkreis Schaumburg, Stadthagen
Wettberb: 05/2017, 1. Preis
Örtliche Bauleitung: Ernst2 Architekten AG, Hannover
Projektsteuerung: pmd Gesellschaft für Projektmanagement, Düsseldorf
Tragwerksplanung: Wetzel und von Seht GbR, Hamburg
HLS-Planung: Reich und Hölscher Ingenieurbüro, Bielefeld
Elektroplanung: Ingenieurbüro Schröder und Partner, Bielefeld
Bauphysik: ISRW Dr.-Ing. Klapdor GmbH, Bielefeld
Landschaftsplanung: Büro für Freiraumplanung Christine Früh, Hannover