22. Februar 2022
Lange Zeit gab es im Bauwesen vielerorts nur eine Richtung: größer, höher – und leider meist auch ressourcenverbrauchender. Heute ist das Bauwesen bereits für über 40 % der Treibhausgasemissionen und über 50 % der Abfallmengen auf der Welt verantwortlich. Experten wie Werner Sobek warnen seit Langem davor, diesen Weg weiterzugehen, geben aber auch sinnvolle Lösungsvorschläge. So etwa in seiner Trilogie „non nobis – über das Bauen in der Zukunft“, deren erster Band jetzt erschienen ist.
von Thomas Geuder, Der Raumjournalist
Wissenschaftler sprechen schon lange vom „Anthropozän“, dem Zeitalter also, in dem der Mensch zum maßgeblichen Einflussfaktor auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist. Spätestens mit der Industrialisierung zu Beginn des 19. Jahrhunderts nimmt diese Entwicklung Fahrt auf, ab Mitte des 20. Jahrhunderts (manche nennen den 16. Juli 1945, an dem die erste Kernwaffe zu Testzwecken gezündet und damit das Atomzeitalter eingeläutet wurde) wächst der Einfluss der Menschen auf die Erde exponentiell, mit deutlichen und vor allem bleibenden Spuren. In den gerade einmal gut 70 Jahren hat der Mensch die Erde derart verändert, dass eine nähere Beschäftigung mit den Zahlen und Fakten beängstigend, aber notwendig ist.
Materialentnahme in Gt (vertikale Achse links) und globales GDP in Milliarden US $ (vertikale Achse rechts). (Aus: Werner Sobek, non nobis – über das Bauen in der Zukunft)
Blick über den Tellerrand
Das Bauwesen an sich ist für diese Ausgangslage nicht allein verantwortlich. Doch im Bauwesen liegt einer der Schlüsselbereiche, in dem geeignete und langfristige Gegenmaßnahmen getroffen werden können. Denn das Errichten, der Betrieb und der Abriss von Bauwerken ist für mehr als 40 % der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Antworten werden bereits gefunden, die technologische Innovationskraft hat in den letzten 25 Jahren clevere Ideen hervorgebracht. Die heute gut 10 Jahre andauernde Digitalisierung der Branche hat zu wegweisenden Entwicklungen geführt. Auch in den Bereichen Ressourcenverbrauch, Müllerzeugung, Energieverbrauch und Emissionen gab es wichtige Schritte. Dennoch, das Bauwesen ist vielfältig und komplex und betrifft im Grunde alle Bereiche, also nicht nur die Architektur, die Ingenieurwissenschaften oder den Städtebau, sondern auch Themen wie Material, Klima, Verkehr, Bevölkerung bzw. Gesellschaft. Wer also die Welt verändern will, muss interdisziplinär denken und handeln.
Entwicklung der Nachfrage nach raffiniertem Kupfer, in Tsd. Tonnen. (Aus: Werner Sobek, non nobis – über das Bauen in der Zukunft)
Der globale Kohlenstoffhaushalt in Gt ohne Berücksichtigung der Emissionen aus Land- und Forstwirtschaft. (Aus: Werner Sobek, non nobis – über das Bauen in der Zukunft)
Neue Impulse
Wer etwas verändern will, muss auch in die Zukunft denken können. Denn was Bauschaffende tun, basiert auf den Erfahrungen von gestern, agiert mit den Möglichkeiten von heute und wirkt auf die Spielräume von morgen. Bauschaffende sind also Historiker, Gegenwartsforscher und Visionäre zugleich. Das gibt ihnen viel Verantwortung und die unbedingte Aufgabe zu handeln. Planende müssen ihre Projekte ganzheitlich betrachten und über das hinausgehen, was etwa bei Zertifizierungsstellen noch Standard ist. Planung, Errichtung, Betrieb und Rückbau eines Gebäudes gehören genauso dazu wie der Umgang mit den immer knapper werdenden Ressourcen mit dem Einsatz von Energie und der Erzeugung von schädlichen Emissionen. Vor gut 100 Jahren wurde das Bauhaus gegründet, das damals einen wichtigen und bis heute spürbaren, alle Lebensbereiche betreffenden Impuls gab. Ein solcher Impuls wäre heute wieder nötig. Nicht zuletzt deswegen wurde vor Kurzem das „Bauhaus der Erde gegründet“, unter dessen Dach sich Menschen zu vereinen, die es ernst meinen mit einem tiefgreifenden Wandel.
Altzholzaufkommen und Altholzverwertung in Deutschland im Jahr 2015, in Tsd. Tonnen. (Aus: Werner Sobek, non nobis – über das Bauen in der Zukunft)
Bauen in der Zukunft
Einer, der sich seit Jahrzehnten in diesem Themenkomplex engagiert, ist Prof. Werner Sobek. Sein neuestes Buch „non nobis – über das Bauen in der Zukunft“ ist der erste Teil einer Trilogie. Im ersten Band mit dem Untertitel „Ausgehen muss man von dem, was ist“ erfolgt auf knapp 300 Seiten eine umfassende Bestandsaufnahme von Trends und Entwicklungen, die die gebaute wie natürliche Umwelt betreffen und somit die Art des Bauens beeinflussen, wie etwa Ressourcenverbrauch und -verfügbarkeit, Baustoffe, Emissionen, Energie, Erderwärmung, Klimaziele, Bevölkerungsentwicklung. Der zweite Band wird sich mit den derzeitigen Handlungskorridoren beschäftigen, im dritten Buch schließlich wird gezeigt, inwiefern die Definition eines Weges in die Zukunft Ergebnis einer gesamtgesellschaftlichen Bewusstwerdung über die aktuelle Situation, die verbleibenden Handlungsspielräume und die erforderlichen radikalen Veränderungen gesellschaftlicher und individueller Zielsetzungen ist. Diesen auf unzähligen Fakten basierenden, von einem langjährigen und interdisziplinären Experten verfassten und obendrein von Andreas Uebele wundervoll gestalteten Rundumschlag darf man nicht verpassen. (erschienen 2022 bei avedition Stuttgart)
Alle Bilder: © büro uebele visuelle kommunikation, www.uebele.com