23. November 2021
Visionen werden nur dann Realität, wenn aus Gedanken konkrete Vorstellungen werden. Mit dieser Überzeugung entwarf der Architekt und Industriedesigner Kai Stania sein persönliches Haus, das nicht nur aufgrund seiner geografischen Lage hoch über Wien fasziniert, sondern vor allem mit der eigenen Choreografie.
Von Barbara Jahn
Es gibt wohl leichtere Aufgaben für Architekten, als diejenige, auch selbst der Bauherr zu sein. Über diesen – man möchte fast sagen schizophrenen – Spagat wagte sich Kai Stania, der als freischaffender Architekt und Produktdesigner genau dort arbeitet, wo er auch lebt. Die beiden Rollen in sich zu vereinen war nicht immer einfach, das muss er offen zugeben.
Rahmung eines Augenblicks: Die schwarze Einfassung der Architektur, insbesondere in Kombination mit den großzügigen Fensterflächen, wirkt dramatisch und leicht zugleich.
Foto: © Walter Luttenberger
Als vielseitiger, kreativer Mensch denkt Kai Stania in Bildern und Szenerien. Dieser Hang zur bildhaften Dramatik und zum fotografischen Einfangen von Momenten drückt sich auch in der Architektur des modernen Einfamilienhauses aus, das an einem der höchstgelegenen Punkte des Wienerwaldes steht und mit seiner schwarzen Fassade den imposanten Abschluss einer ganze Reihe architektonisch von eher weniger anspruchsvollen Domizile auf dem Weg dorthin setzt.
Zur Straße hin wurde sparsam mit Öffnungen umgegangen. In den schwarzen Fassadenplatten spiegelt sich dafür die Umgebung und verleiht den Flächen eine dynamische Lebendigkeit.
Foto: © Walter Luttenberger
Es wird ja oft darüber geschmunzelt, wenn Architekten einen Hang zur Farbe Schwarz haben und den auch gut sichtbar zeigen. Für Kai Stania ist es aber keine Frage der Mode oder eines zur Schau getragenen Zugehörigkeitsbekenntnisses der bauenden Zunft, sondern verfolgt mit der nicht ganz alltäglichen, durchgehend schwarzen Hülle seines Hauses eine ganz andere Vision. Erst in seiner Gesellschaft, bei der er den Besucher zu gewissen Punkten mit besonderen Blickachsen führt und in sein persönliches Entwurfsdrehbuch einweiht, wird klar, wie intensiv er sich mit dem Ort, seiner Umgebung und der Faszination der beiden in Kombination auseinandergesetzt hat.
Der Übergang zwischen Drinnen und Draußen findet sanft und in „Etappen“ statt: Mit schlichten Rahmen wird die Kubatur des Hauses erweitert und schafft auf diese Weise einen Raum „dazwischen“.
Foto: © Walter Luttenberger
Gewählt hat Kai Stania für das Haus eine Holz-Riegelbauweise, die sein Konzept der Offenheit und Übergänge optimal mitträgt. Auch wenn die auskragende Konstruktion das Gebäude viel größer erscheinen lässt, als es tatsächlich ist, so nimmt sich die scharfkantige Architektur mit ihren präzisen Linien dennoch so zurück, dass die Natur zum eigentlichen Protagonisten der gesamten Bühne wird. Der Rahmen, der immer wieder im Laufe des Tages und im Reigen der Jahreszeiten neue Ausschnitte einfängt, bietet so jedem Raum seine eigenen speziellen Qualitäten. Spannend ist, dass zu diesem gestalterischen Element wohl auch ein wenig die örtliche Bauordnung beigetragen hat: Die Fiktion vollendet die Architektur, eben auch dort, wo Rücksprünge des Baukörpers erforderlich waren.
Vor allem in der Abenddämmerung bekommt die schwarze Architektur eine noch klarere Kontur, die umso mehr verstärkt, wenn im Haus die Lichter angehen und der Baukörper von innen heraus illuminiert wird.
Foto: © Walter Luttenberger
Was dem Betrachter beim näheren Hinsehen klar wird, sind die einzelnen Szenen und Ausschnitte, die Kai Stania mit seiner schwarz umrandeten Architektur einfangen will. Es entsteht ein gewisser Cinemascope-Effekt, der den Moment für kurze Zeit still stehen lässt, um sich in der nächsten Einstellung weiter fortzusetzen. Unter Berücksichtigung der baubehördlichen Auflagen gelang es dem Architekten auch, die Kubatur seiner Vision zu realisieren. Die vorgeschriebene Rückstufung des Obergeschosses erhält durch die schwarzen, scharfen Linien ein völlig neues Volumen. Die Rahmen, die dieses umreißen, sind aber nicht einfach nur gestalterische Spielereien, sondern erfüllen auch den funktionalen Zweck der Beschattung für die rundum positionierten Freiflächen.
Die Spiegelung schwarzer Flächen wurde auch im Innenraum übernommen, um räumliche Grenzen komplett aufzulösen.
Foto: © Michael Nagl
Um seine Visionen so zu verwirklichen, wie sie seinen Vorstellungen auch tatsächlich entsprachen, fand Kai Stania mit Trespa einen experimentierfreudigen Partner für sein Projekt. Schließlich sind schwarze Fassaden kein alltäglicher Anblick in Österreich, und dieses Haus war zu diesem Zeitpunkt sogar das erste Privatprojekt, dass den Mut zur ungewöhnlichen Farbe bewies. Das Schwarz leistet mit seinen scharfen Kanten und prägnanten Konturen einen wesentlichen Anteil zu diesem herausragenden Bauergebnis. Insgesamt wurden 462 Quadratmeter schwarze Trespa Meteon-Platten angebracht, die gemeinsam mit den großzügigen Glasflächen ein harmonisches, wenn auch kontrastreiches, Wechselspiel veranstalten.
Hier kann man nie so genau sagen, wo man gerade ist – im Wohnzimmer, in der Küche, oder doch schon im Garten?
Foto: © Michael Nagl
Kai Stania denkt seine Entwürfe bis zum Ende. Besonderes Augenmerk legt er dabei auf die Übergänge, die fließend sein müssen, um das Ganze zu bewahren. Bei seinem eigenen Haus hebt er die räumliche Grenzen einfach auf, sei es von innen nach außen, von Wohnen, Essen und Kochen oder zwischen Schlafzimmer und Bad. Zahlreiche seiner eigenen Entwürfe haben in diesem Kontext auch bei ihm ein Zuhause gefunden: Gekocht wird auf der Kochinsel k7, die sich wie eine Bühne hebt und senkt und sich fast zu einem Monolithen komplett schließen lässt. Geschlafen wird in Bett riletto, ebenfalls für den Hersteller Team 7 entworfen, gearbeitet im Büro von Bene und der Tisch ist natürlich ein echter Wittmann.
Ausblicke, aber keine Einblicke: Die persönlichen Rückzugsbereiche sind offen angelegt, wahren die Privatsphäre nach außen.
Foto: © Michael Nagl
Ist erstmal das Tageslicht hinter dem Horizont verschwunden und die Schwärze der Nacht verbindet sich langsam mit der Architektur zu einer Einheit, tritt das Haus erneut in einer anderen Rolle in Erscheinung. Durch die Innenbeleuchtung erhält die Architektur ein noch grafischeres Gesicht und letztlich eine völlig andere Dimension, die sich am nächsten Morgen wieder in einen neuen spektakulären Drehort verwandeln wird.
Wien zu Füßen: Von hier aus kann man beim schönsten Sonnenuntergang der Hauptstadt Gute Nacht sagen.
Foto: © Walter Luttenberger